Wilfried Armonies / Christian Kupke
Jenseits des binaristischen Prinzips. Zur psychoanalytischen Theorie des Witzes
I. Zur symbolischen Überschreitung binaristischen Denkens
Ich verstehe, was du sagen willst, Menon! Siehst du, was für einen streitsüchtigen Satz du uns herbringst? Daß nämlich ein Mensch unmöglich suchen kann, weder was er weiß, noch was er nicht weiß. Nämlich weder was er weiß, kann er suchen, denn er weiß es ja, und es bedarf dafür keines Suchens weiter; noch was er nicht weiß, denn er weiß ja dann auch nicht, was er suchen soll.
Platon, Menon, 80e
Den Binarismus hat Roland Barthes einmal, in einem seiner
vielleicht wichtigsten wissenschaftlichen Werke, den
>Elementen der Semiologie<, als >>das intellektuelle
Imaginäre unserer Zeit<< bezeichnet. Mit
dieser Formulierung zielte er damals (1964) auf das
strukturale Denken ab, - auf ein Denken, in dem, wie
er es formuliert, >>die binäre Einteilung
der Begriffe ... häufig vorzukommen scheint<<1.
Er hätte damit aber auch ebensogut, wie seinerzeit
Jacques Derrida, das gesamte metaphysische Denken meinen
können. Denn der Strukturalismus war von Anbeginn
- wenn auch nicht immer bewußt - der Versuch
einer kritischen Beschreibung genau derjenigen systemproduzierenden
strukturellen Binarismen, die die Metaphysik seit den
Tagen ihres Entstehens geprägt hatten, andererseits
aber auch eine Reflexion der ihn selbst konstituierenden
Binarismen (so z.B. des Binarismus von Raum und Zeit,
Struktur und Ereignis), mithin eine Selbstreflexion
seiner eigenen binaristischen Voraussetzungen.
Auch die Lacansche Psychoanalyse schreibt sich, wie
man weiß, in diesen strukturalistischen Zusammenhang
ein. Zwar schien sie sich zunächst noch ganz affirmativ
an der klassischen Opposition von Imaginärem und
Realem (von Schein und Sein, Innen und Außen,
Subjekt und Objekt, Form und Inhalt etc.) orientieren
zu wollen - so in der auf dem Internationalen Kongreß
für Psychoanalyse 1936 erstmalig und 1949 wiederholt
vorgetragenen Konzeption des Spiegelstadiums -, aber
schon dort deutete sich damals jene Dialektisierung
des Freudschen Dualismus von Lust- und Realitätsprinzip
und eine damit einhergehende Äquivozierung des
Realitätsbegriffs an, die vollgültig nur
durch die Einführung eines weiteren Elements,
eines Dritten plausibel gemacht werden konnte: durch
das den Binarismus tendenziell überschreitende
Element des Symbolischen2. Besonders die ersten beiden
Seminare Lacans (in den Jahren 1953 bis 1955) widmeten
sich daher der Frage, ob und auf welche Weise die Annahme
des Symbolischen den klassischen Formenkanon psychoanalytischen
Denkens gegebenenfalls zu sprengen vermochte, und sie
kulminierten schließlich in dem 1957/58 erstmalig
der Öffentlichkeit vorgestellten topologischen
Anschreibungen des Verhältnisses von Realem, Imaginärem
und Symbolischem in den sogenannten Schemata L und
R.
Diese Schemata bzw. genauer die durch sie indizierten
neuen topologischen Verhältnisse boten insgesamt
drei Alternativen einer möglichen Überschreitung
binaristischen Denkens. Die erste Alternative bestand
darin, mittels der Kategorie des Symbolischen zu einer
veränderten Auffassung dessen zu gelangen, was
man unter "Realität" zu verstehen hat,
die zweite dagegen versuchte, zu einer Neuinterpretation
des bereits in der Philosophie recht umstrittenen Begriffs
des "Scheins" zu gelangen. Beide bezogen
sich damit auf einen der beiden Pole der bereits oben
angeführten binaristischen Opposition: die eine
thematisierte die Überschreitung dieses Binarismus
zur Seite des Realen, die andere zur Seite des Imaginären.
Aus den unterschiedlichsten Gründen (die wir hier
leider nicht genauer darstellen können) ist jedoch
keine dieser beiden Alternativen für unser gegenwärtiges
Vorhaben von allzu großer Bedeutung: die eine
führt die Gefahr eines "ontologischen Rückfalls"
mit sich, die andere vollendet sich in einer eher psychoanalyse-immanenten
Theorie des Phantasmas. Bleibt also für eine mehr
an den Strukturen orientierte Darstellung allein die
dritte und letzte Alternative, nämlich die einer
Überschreitung des Binarismus zur Seite des Symbolischen.
- Dabei mag vielleicht zunächst die Formulierung
"zur Seite des Symbolischen" überraschen.
Denn die Überschreitung binaristischen Denkens,
die den Ausgangs- und Zielpunkt unserer Überlegungen
bildet, war ja, zumindest bei Lacan, überhaupt
nur vermittels der Kategorie des Symbolischen selbst
thematisierbar geworden. Was kann es aber dann bedeuten,
diese ohnehin schon symbolisch vermittelte Überschreitung
noch "zur Seite" oder "unter dem Aspekt"
des Symbolischen zu thematisieren?
Um diese Frage zu klären, bedarf es einer kurzen
Reflexion über den topologischen und im weitesten
Sinne spieltheoretischen Hintergrund der Lacanschen
Konzeption des Borromäischen Knotens. Nach dieser
Konzeption gibt es - entsprechend den drei topologischen
Feldern - drei Nahtstellen, an denen R(eales), I(maginäres)
und S(ymbolisches) miteinander verfugt sind: die Fuge
von S und I (die Liebe), die von I und R (der Haß)
und die von R und S (die Unwissenheit). Spieltheoretisch
bedeutet das, daß ich jedes dieser drei Felder
abermals unter drei Aspekten thematisieren kann: also,
um beim Symbolischen zu bleiben, S nicht nur im Hinblick
auf R und I, sondern - scheinbar selbstverständlich
- auch im Hinblick auf sich selbst oder als solches.
Aber diese Selbstverständlichkeit (der Betrachtung
eines der drei topologischen Felder als eines solchen)
ist in der Lacanschen Konzeption faktisch die Ausnahme.
Denn da in einem Borromäischen Knoten die drei
Fadenringe so miteinander verbunden sind, daß,
wenn man einen durchschneidet, alle drei frei sind,
läßt sich die Funktionsweise des Symbolischen
für jeden noch so einfachen psychischen Prozeß
- auch für den der Interpretation (als einer Übersetzung)
- immer nur im Zusammenhang mit den beiden übrigen
Kategorien erläutern, oder genauer: hängt
der Gebrauch der Kategorie des Symbolischen von den
Funktionsweisen des Realen, des Imaginären und
des Symbolischen selbst ab.3
Eine solche Abhängigkeit bezeichnet aber letzten
Endes den unhintergehbaren pragmatischen Status jeder
dieser drei Kategorien als Funktionen, insbesondere
jedoch der des Symbolischen. Denn insofern die symbolische
Funktion lediglich als Sprachfunktion begriffen wird,
führt sie einen doppelten linguistischen Schein
mit sich: den, mittels reflexiver Anstrengungen über
sich selbst als Sprache restlos aufklären zu können,
und den, einer ihrer theoretischen Selbstverständigung
gegenüber unabhängigen pragmatischen Di(t)mension
entbehren zu können. Auf den ersten Irrtum antwortet
Lacan - wie hinreichend bekannt ist - mit dem theoretischen
Diktum, daß es keine Metasprache gebe, und auf
den zweiten durch eine, diesem theoretischen Diktum
entsprechende praktische Verweigerung, nämlich
der, in einer dem bisherigen linguistischen Verfahren
auch nur annähernd vergleichbaren Weise zu sagen,
was denn das Symbolische als solches ist.
Was es ist, wird man, wenn überhaupt, nur im Zugang
zur Praxis des Symbolischen selbst erfahren. Da man
aber hierfür bereits einen in der Theorie des
Symbolischen geprägten Vorbegriff des Symbolischen
haben muß - denn anders kann man, nach der alten
platonischen Formel - nicht wissen, wo man suchen soll,
was man wissen will -, muß man das Symbolische
"zur Seite" oder "unter dem Aspekt"
des Symbolischen selbst thematisieren. Das heißt
man muß das theoretisch vorgefaßte Symbolische
(die Kategorie des Symbolischen) entweder nach seiner
praktischen Funktion befragen (indem man gewisse Paradigmen
dieser Funktion, wie beispielsweise den Witz, analysiert)
oder aber in dieser seiner praktischen Funktion verwirklichen
(indem man das Symbolische, bspw. über einen Witz,
seinerseits symbolisiert).
Lacan hat unseres Erachtens den letztgenannten Weg gewählt,
und zwar, was die Überschreitung des Binarismus
anbelangt, aus einem theoretisch einsichtig zu machenden
Grund: Der Binarismus ist zunächst ganz unzweifelhaft
eine Konstante des Imaginären, zugleich aber auch
- de Saussures Fundamentalopposition und Jakobsons
Nullphonem belegen es - ein (wenn nicht vielleicht
sogar das) Konstitutiv des Symbolischen. Mit anderen
Worten: Er ist, nach allem was wir aufgrund sprachwissenschaftlicher
Untersuchungen wissen, nicht nur das "intellektuelle
Imaginäre", sondern auch das "intellektuelle
Symbolische unserer Zeit". Und weil in allem und
für alles Wissen - so die Psychoanalyse Lacans
- die Erkenntnisfunktionen des Imaginären konstitutiv
sind, können wir das Symbolische, sobald wir es
zum Gegenstand theoretischer oder wissenschaftlicher
Reflexionen machen, seinerseits nie als ein solches
oder nie als das, als das es intendiert ist auffassen.
Mithin kann der psychoanalytische Strukturalismus Lacans,
solange er bloß dieser Strukturalismus ist, sich
seiner eigenen Theoretisierung des Symbolischen keineswegs
sicher oder gewiß sein; er muß sich vielmehr
seiner theoretischen Annahmen über das Symbolische
in einer Praxis vergewissern, in welcher er diese Annahmen,
statt sie bloß zu verdeutlichen, geradezu verwirklicht.
Genau diese Forderung - nach einer Verwirklichung des
Symbolischen - nimmt aber im Lacanschen Werk, insbesondere
der siebziger Jahre, immer größeren Raum
ein. Statt im Rahmen psychoanalytischer Fragestellungen
primär auf linguistische Forschungen zurückzuverweisen,
um damit, wie es im Wissenschaftskanon üblich
ist, die eigene Theorie zu stützen, wird als Effekt
des Diskurswechsels vom universitären Wissensdiskurs
der Linguistik zu dem des Analytikers eine "Linguisterie"
betrieben, die sich mit dem, was Julia Kristeva Anfang
der siebziger Jahre als "Semiotisierung der Sprache",
gar als "Semiotisierung des Symbolischen selbst"
kennzeichnen zu können glaubt4, durchaus zur Deckung
bringen läßt. Umso interessanter aber dürfte
es sein, zum Schluß dieser Einleitung noch kurz
der Konfrontation nachzuspüren, in welcher sich
diese Theorie Kristevas als von der Lacanschen Praxis
unterschieden erweist.
Zwar antwortet Kristeva auf Lacans Frage, ob sie mit
ihrem Buch >Polylogue< die Wendung zur "polylinguisterie"
thematisieren will, zunächst bestätigend:
>>C'est autre chose que de la linguistique. Ça
passe par la linguistique.<<5 Aber während
sie selbst an der Differenz zwischen Metasprache und
Text, d.h. an der Begrifflichkeit der Linguistik festhält
und ihre eigene Schreibpraxis noch nicht der poetischen
Sprache öffnet, stellt Lacan die Metasprache nach
seinem bereits oben zitierten Diktum noch einmal in
Frage, indem er sie als eine Übersetzung ohne
Original charakterisiert: >>On ne peut parler
d'une langue que dans une autre langue. J'ai dit autrefois,
qu'il n'y a pas de métalangage. Il y a un embryon
de métalangage, maison dérape toujours
pour un simple raison, c'est que je ne connais de langage
qu'une série de langues, incarnées. Le
langage, on s'éfforce de l'atteindre par l'écriture.
Et l'écriture, ça ne donne quelque chose
qu'en mathé-matiques, là oú on
opère par la logique formelle, à savoir
par extraction d'un certain nombre de choses qu'on
extrait ainsi.<<6
Diesen Schritt hatte Kristeva in ihrer >Revolution
der poetischen Sprache< noch nicht vollzogen. Zwar
thematisiert sie auch dort unter dem Aspekt der "Transposition"
genau diese Lacansche Konzeption der Übersetzung7,
jedoch ausschließlich für den Primärtext,
vor allem den poetischen, nicht aber für den Sekundärtext,
die Metasprache. Auch in ihrer eigenen Begriffsarbeit
bleibt sie daher - theoretisch konsequent - hinter
der Radikalität der Lacanschen Signifikantenverwendung
zurück. Denn während dieser mit der "metasprachlichen"
Transposition von 'unbewußt' in 'une-bévue'8
einen neuen witzigen Signifikanten erfindet, findet
Kristeva in ihrer semiologischen Aneignung des psychoanalytischen
Diskurses einen neuen Begriff: "das Semiotische".
Und im Gegensatz zur Lacanschen Topologie, die tatsächlich
keinen Sinn hat, sondern in der je eigenen, übersetzenden
Praxis des Sprechens und Schreibens Sinn macht, kann
Kristeva nicht darauf verzichten, dem Semiotischen
abermals, im Rückgriff auf die Metaphysik, einen
ursprungstheoretischen Sinn einzuräumen: "die
chora".9
>>Pourquoi<<, fragt Lacan, >>est-ce
qu'on n'inventerait pas un signifiant nouveau? Un signifiant
par exemple, qui n'aurait ... aucune espèce
de sens?<<10 Aber eine solche Erfindung hat im
Kristevaschen Text keinen Ort, weil trotz der beanspruchten
Überschreitung der Linguistik die von ihr favorisierte
Semiologie eine Wissenschaft bleibt, die zu begreifen
versucht, was ihr Gegenstand ist11, sich aber nicht
in eine Poesie übersetzt, die ihn - diesen Gegenstand
- zur Sprache bringt und die sich so, wie in den späteren
Werken Lacans, auf dem Wege über die Kunst jenseits
der Kunst niederläßt.
II. Der Witz als ästhetische Überschreitung des Binarismus
Um nun dieser, sich jenseits des Binarismus von Wissenschaft
und Kunst situierenden poetisch-rhetorischen und in
diesem Sinne ästhetischen Sprech- und Schreibpraxis
Lacans nachzuspüren, bedarf es unseres Erachtens
- im Sinne Samuel Webers - zunächst einer "Rückkehr
zu Freud", und zwar genauer zur Freudschen Witztheorie.
Denn nur anhand dieser Theorie, so unsere These, läßt
sich erstens: der zu einer Überschreitung binaristischen
Denkens notwendige pragmatische Anhalt ausfindig machen,
und zweitens: diejenige spezifisch ästhetische
Praxis des Sprechens und des Schreibens erhellen, die
der soeben von uns angeführten - und als witzig
unterstellten - Transposition von 'unbewußt'
in 'une-bévue' zugrundeliegt.
Im Sinne dieser Zielvorgabe bemühen wir uns im
folgenden ersten Teil unserer Analyse zunächst
um eine möglichst definite Abgrenzung von Witz,
Komik und Humor. Dabei werden wir, da wir am ästhetischen
Charakter dieser Formen interessiert sind, vor allem
auf zwei Werke der literarischen Kunst zurückgreifen:
auf >Finnegans Wake< von James Joyce und auf
>Zettel's Traum< von Arno Schmidt. In beiden
Werken sind Humor, Komik und Witz in gleicher Weise
vertreten. Aber nur am Witz läßt sich, wie
wir zeigen werden, diejenige spezifisch ästhetische
Form nachweisen, die ihn als Modell einer möglichen
Überschreitung binaristischen Denkens so interessant
macht.
Die Grundüberlegung, die uns bei diesem Nachweis
leitet, ist denkbar einfach. Freud folgt in der systematischen
Darstellung des Zusammenhangs von Humor, Komik und
Witz einem klassischen, bereits aus der Philosophie
bekannten Muster: Er thematisiert den Humor aus einer
eher (ästhetisch-)ethischen, die Komik aus einer
eher (ästhetisch-)erkenntnistheoretischen und
den Witz aus einer spezifisch ästhetischen Perspektive.
Wobei er, um dies leisten zu können, auf einige
der bekanntesten Binarismen des klassischen philosophischen
Diskurses zurückgreifen muß: auf das Problem
des Selbst-Bewußtseins im Falle des Humors, auf
den Dualismus von Subjekt und Objekt im Falle der Komik
und auf das Verhältnis von Form und Inhalt im
Falle des Witzes.
Auf den dezidiert psychoanalytischen Hintergrund dieser
Zuordnung geht sodann der zweite Teil unserer Analyse
ein. In ihm stellen wir die Analogie zu einer weiteren,
im Freudschen Text ganz explizit vorgenommenen Zuordnung
her, nämlich der von Witz, Komik und Humor zur
Topik der drei unterschiedlichen psychischen Systeme:
Der Humor ist für Freud Untersuchungsgegenstand
vor allem hinsichtlich seiner Frage nach der Funktion
des Ideal-Ichs (bzw. des Über-Ichs), die Komik
vor allem hinsichtlich seiner Frage nach der Funktion
des Bewußtseins (bzw. des Ichs) und der Witz
vor allem hinsichtlich seiner Frage nach der Funktion
des Unbewußten (bzw. des Es).
Daß eine solche Darstellung nicht ohne gewisse
Vereinfachungen durchgeführt werden kann, dürfte
keinem Zweifel unterliegen. Aber auch hier, wie in
aller Theorie, bereitet offensichtlich erst die schematische
Darstellung - eingedenk der Konzeption des Borromäischen
Knotens - den Weg zu einem vollen Verständnis
des Phänomens, ist sie im Grunde <<nur eine
Art<<, wie Lacan sagen würde, >>die
Ideen zu fixieren, nach der eine Schwäche unseres
diskursiven Geistes ruft<<12.
1. Ethik des Humors, Erkenntnis des Komischen und Ästhetik des Witzes
Will man vor allem den systematischen Stellenwert von Witz, Komik und Humor herausarbeiten, so scheint es angebracht zu sein, zunächst auf die formelhafte Zusammenfassung hinzuweisen, mit welcher Freud sein Witzbuch beendet: >>Wir stehen nun am Ende unserer Aufgabe<<, heißt es dort, >>nachdem wir den Mechanismus der humoristischen Lust auf eine analoge Formel zurückgeführt haben wie für die komische Lust und den Witz. Die Lust des Witzes schien uns aus erspartem Hemmungsaufwand hervorzugehen, die der Komik aus erspartem Vorstellungs(Besetzungs)aufwand und die des Humors aus erspartem Gefühlsaufwand. In allen drei Arbeitsweisen unseres seelischen Apparates stammt die Lust von einer Ersparung; alle drei kommen darin überein, daß sie Methoden darstellen, um aus der seelischen Tätigkeit eine Lust wiederzugewinnen, welche eigentlich erst durch die Entwicklung dieser Tätigkeit verlorengegangen ist.<<13
Welche Tätigkeit im ästhetisch-literarischen
Bereich könnte diese seelische Tätigkeit
sein, wenn nicht die Tätigkeit des Schreibens
und des Lesens? Und welcher Gefühls- bzw. Affektaufwand
könnte in dieser Tätigkeit über den
Humor erspart werden, wenn nicht - wie bei Arno Schmidt
und James Joyce - die Qual einer >>entsagungsvollen
Arbeit<<14, und umgekehrt - bei den Lesern ihrer
Bücher - die Mühe, sich in diesen Texten
überhaupt noch zurechtzufinden? Jeder, der sie
kennt und liest, aber insbesondere die Autoren selbst
werden irgendwann einmal den bei der Abfassung dieser
Texte (bzw. ihrer Lektüre) betriebenen Aufwand
in ein Verhältnis setzen müssen zur dabei
erhofften Lust, aber realiter erfahrenen Unlust. Und
wenn auch diese Unlust ein dem Ich unbewußtes
Genießen durchaus nicht ausschließt, so
ist doch die damit verbundene Spannung nur dann zu
lösen, wenn die Anstrengung der Textarbeit humoristische
Züge annimmt: >>Der Humor<<, so Freud,
>>ist .. ein Mittel um die Lust trotz der sie
störenden peinlichen Affekte zu gewinnen; er tritt
für diese Affektentwicklung ein, setzt sich an
die Stelle derselben.<<15 Das heißt für
die Position des Lesers und des Schreibers: statt daß
das schreibende und lesende Subjekt in Selbstmitleid
und Mitleid(en) versinken, rettet der Humor, vermöge
dessen sie beide trotzdem lachen16, die Lust am Text,
und aus dem Selbstmitleid und dem Mitleid(en) wird
Lachen und Mitlachen.
Dies ist aber nicht nur auf der die Produktion und Rezeption
des Textes betreffenden Ebene der Fall, sondern auch
auf dem durch sie konstituierten semantischen Feld.
So zum Beispiel, wenn Schmidt in >Zettel's Traum<
den zweifellos auf ihn selbst zutreffenden Vorwurf
eines quälerischen Pansexualismus in seiner Poe-Betrachtung
vorwegnimmt: >>(Ich?; n'Unmensch'?: weil Ich
das Gemisch aus bw=Prüderie & ubw=Lüsternheit
bei Ihm [gemeint ist Poe, d.A.] erwähne? Und die
Cha osLabyrinthe des männschlichen Gehirns?/(Cere
brumm up dominale)).<<17 Oder wenn Joyce in >Finnegans
Wake< als Resultat der Unmöglichkeit des Geschlechtsverhältnisses
den Lesern die Präsentation seiner literarischen
Potenz unter der Sigle "HCE" (Here Comes
Everybody) mit den Sätzen nahebringt: >>Thanks
eversore much, Pointcarried! I can't say if it's the
weight you strike me to the quick or that red mass
I was looking at but at the present momentum, potential
as I am, I'm seeing rayingbogeys rings round me. Honours
to you and may you be commended for our exhibitiveness!<<18
- In beiden Fällen haben wir es mit einem durchaus
humorvollen Ertragen männlicher Beschränktheit
auf den Wegen der Suche nach der Frau zu tun. Der Mann
(und sei er auch Schmidts Daniel Pagenstecher oder
Joyce' Shem/Shaun, er bleibt Jedermann) sucht die Frau
und trifft doch immer nur auf irgendein Objekt seines
Begehrens.19
Daß es das Schreiben Schmidts und Joyce' und nicht
eines beliebigen Autors ist, das beständig um
dieses Thema kreist, zeigt aber auch, daß es
hier - im Falle des Humors - die Person des Autors,
seine in ethischen und pragmatisch-lebensgeschichtlichen
Kontexten herausgebildete Affektivität ist, die
im Mittelpunkt des Interesses (des Lesers und des Interpreten)
steht, nicht aber diejenige produktive oder rezeptive,
also spezifisch ästhetische Fähigkeit, kraft
welcher ein literarischer Text überhaupt erst
als ein solcher konstituiert wird. Und ob die Herstellung
eines solchen Textes Mühe und Qual verursacht,
ob dieses Leiden und Mitleiden (mit dem Autor und dem
Leser) sich in ein Lachen und Mitlachen verwandeln
kann, schließlich: ob sich der Humor über
einen Schreibzwang oder irgendeinen anderen neurotischen
Komplex erhebt, - all das ist für den Text als
solchen nur von sekundärem Belang. An diesen Aspekten
sich zu orientieren, müßte unweigerlich
zu jenem Mißverständnis führen, das
Jean-Louis Baudry schon 1968 in aller Klarheit so bestimmt
hat: >>daß der Romanschriftsteller oder
der Dichter, d.h. der Verfasser von Texten, die ihn
als Romanschriftsteller oder Dichter definieren, eben
aufgrund dieser Texte gleichberechtigt neben dem Neurotiker
steht und als solcher Forschungsobjekt der Psychoanalyse
ist<<20.
Der Humor, dessen Lust aus einem ersparten Affekt- bzw.
Gefühlsaufwand hervorgeht, stellt sich also aufgrund
einer gewissen Affekt- oder Gefühlslage des Autors
(bzw. des Lesers) immer nur ein, er wird niemals gemacht.
Das heißt, er ist immer nur dann möglich,
wenn gewisse, das Ethos des Humoristen betreffende
Bedingungen erfüllt sind: >>...nicht alle
Menschen<<, heißt es bei Freud, >>(sind)
der humoristischen Einstellung fähig, es ist eine
köstliche und seltene Begabung, und vielen fehlt
selbst die Fähigkeit, die ihnen vermittelte humoristische
Lust zu genießen.<<21 Mit anderen Worten,
über Humor verfügt man nicht wie über
eine Technik, die ästhetisch umgesetzt werden
könnte, sondern er ist eine Frage des Charakters
und der Persönlichkeit.
Anders dagegen steht es um die Komik: Da ihre Lust aus
einem ersparten Vorstellungs- bzw. Besetzungsaufwand
hervorgeht, ihr also die Differenz von Subjekt und
Objekt, Vorstellendem und Vorgestelltem, von Sehendem
und Gesehenem zugrundeliegt, ist sie keine Frage der
ethischen Person, sondern derjenigen Form von Erkenntnis,
die von der elementaren sinnlichen Evidenz über
das verstehende Wahrnehmen bis zum vollständigen
Erkennen und Verstehen der komischen Konstellation
und ihrer komplexen Voraussetzungssituation reicht.22
Zwar wird auch die Komik, wie der Humor nicht gemacht;
sie wird zunächst an einem Objekt (einer Person
oder einer Sache) gefunden.23 Aber indem mit der Erkenntnis
des Komischen, wie Freud hervorhebt, auch >>die
Bedingung erkannt wird [oder doch erkannt werden kann,
d.A.], unter welcher eine Person komisch erscheint<<,
macht die das Komische erkennende Person zugleich >>die
Entdeckung, daß man es in seiner Macht hat, einen
anderen komisch zu machen<<. Und das wiederum
>>eröffnet den Zugang zu ungeahntem Gewinn
an komischer Lust und gibt einer hochausgebildeten
Technik [nämlich einer Technik des Komischen,
d.A.] den Ursprung<<.24
Diese dem je vorgefundenen Komischen "abgeschaute"
Technik stellt auch der Schriftsteller in seinen Dienst,
und zwar in doppelter Weise. Komische Vorstellungen
können nämlich zum einen erzeugt werden auf
der "inhaltlichen" Seite des Textes, d.h.
auf der Ebene der durch den Text erzeugten imaginären
bzw. imaginierten Realität. Hier treten der Besetzungsaufwand
von Autor und Leser in ein Spannungsverhältnis
zum Besetzungsaufwand der in dieser Realität jeweils
agierenden Personen, Figuren oder Protagonisten. So
zum Beispiel in >Zettel's Traum< bei der Darstellung
einer Masturbationsszene25: Die Vorstellung, wie sich
die Protagonistin dieser Szene (Franziska) in der Nacht
in den Laken ihres Bettes wälzt, kann vom Leser
als komisch empfunden werden, insofern hier die Vergleichung
zwischen dem Bewegungsaufwand, den er selbst treiben
würde, und der Bewegung, der er in der Szene begegnet,
zu kontrastiven Vorstellungen führt. Die Wörter
lassen das Bild eines sich übermäßig
abmühenden Körpers entstehen, unterstützt
durch Vergleiche, die die Bewegungsszene der Masturbation
mit anderen Bewegungen überblenden. An das Gymnastische
des >>Knie hoch & möglichst=breit<<
schließt sich ein >>dolleS Rankern &
SichWindn<< an. Zu den Verbiegungen des Körpers
paßt der Hinweis auf das Derwischartige - >>('wie
besessn!')<< - und zum Befremdenden daran die
krampfige Haltung der Hand und die übersteigerte
Geschwindigkeit (>>4 bis 6 Mal in der Se=cunte<<).
Andererseits aber können komische Vorstellungen
auch rein auf der "formalen" Seite des Textes
erzeugt werden, d.h. auf der Ebene des signifikanten
Charakters des Textes selbst. Hier stellt sich das
Lachen nicht deshalb ein, weil die Vorstellungen, die
der Text evoziert, mit den Vorstellungen kontrastieren,
die Autor und Leser sich von bestimmten Bewegungsabläufen
und Verhaltensformen machen, sondern deshalb, weil
der Korpus des Textes seinerseits gewisse zu lesende,
aber nunmehr signifikante Bewegungsabläufe "vorstellt",
die das gewohnte und eingespielte Rezeptionsverhalten
Texten gegenüber stören, also auf diese Weise
komische Effekte erzeugen. So zum Beispiel das lustvolle
Gelalle und Gestotter in >Finnegans Wake<, das
einen tendenziell von Signifikatseffekten befreiten
Unsinn darstellt: >>come si compita cunctitititilatio?
conkery cunk, thighthighttickellythigh, liggerilag,
titteritot, leg in a tee, lug in a law, two at a tie,
three on a thrickly till ohio ohio ioiomiss<<26.
Oder in >Zettel's Traum<, als Variation der soeben
angeführten Masturbationsszene, die folgende Semiotisierung
des Bewegungsbildes: >>!!!!!!!!!!!! : Funny'S
HochCunnuß : Gunnuß Connie Kuno Cunnum
Cunno : Kuny Gunnorrhum Cunniscunnuscunnis - ahhhcünne
!!!!!!!!!!!!!!!<<27.
Was hier zum komischen Gegenstand von Erkenntnis wird,
ist nicht, wie in der ersten von Schmidt beschriebenen
Masturbationsszene, die durch den Text konstituierte
Realität, nicht ein Gehalt, der im Verstehen der
Zeichen dieses Textes Vorstellungscharakter annimmt,
sondern ein im Grunde unverständlicher, aber eben
damit seinerseits vorstellbarer, weil auf seine eigene,
materiale Realität verweisender Text. Ein Text,
der das, über das er zu schreiben vorgibt, schreibend
selber vollzieht und eben dadurch schon von sich aus
komisch wirkt.28 Denn komisch sei es, so Freud, >>wenn
das Kind beim Schreibenlernen die herausgestreckte
Zunge die Bewegungen des Federstiels mitmachen läßt<<29;
aber nicht minder komisch wäre es, wenn ein Schriftsteller
bei dieser Tätigkeit den gezückten Federstiel
die Bewegungen seiner Zunge mitmachen ließe.
Im einen Fall setzen wir voraus, daß das Kind
der natürlichen Ordnung seines Körpers, also
einem bestimmten Körperschema folgt, müssen
aber dann, in der aktuellen Situation, erkennen, daß
es dieses Schema sprengt; und im anderen Fall nehmen
wir an, daß sich der Schriftsteller beim Erstellen
seines Textes an die Regeln der Orthographie hält,
also einem bestimmten Schriftschema folgt, müssen
aber schließlich auch hier erkennen, daß
er dieses Schema unterläuft und damit seinen eigenen
Text zum komischen Objekt macht.
In beiden Fällen aber ist die wahrnehmungsmäßige
Vorstellbarkeit des jeweiligen Gegenstandes, also das
jeweils zu unterstellende Körperbild oder Schriftbild,
die Ausgangsbedingung dafür, daß sich überhaupt
komische Wirkungen erzielen lassen. Und deshalb hat
der auf solche Wirkungen bedachte Schriftsteller immer
nur die folgende Alternative: entweder - auf der Ebene
des "Inhalts" - ein bestimmtes körperliches
Bild zu evozieren, das komisch wirkt, oder aber - auf
der Ebene der "Form" - die Schrift selber
ins Bild zu rücken und aus ihr - encorps - einen
Körper zu machen. Niemals aber, von gewissen Ausnahmen
abgesehen, ist es möglich, beides zugleich zu
wollen. Denn sobald der Text, sich unverständlich,
Unsinn machend, auf seine eigene Realität verweist,
ist er nicht mehr Medium der Erkenntnis einer anderen
Realität. Und umgekehrt: ist er dieses Medium,
so nur deshalb, weil er seine eigene Realität
dadurch vergessen macht, daß er verständlich,
also "durchsichtig" ist im Blick auf jene
andere Realität.
Diese von der wahrnehmungsmäßigen Vorstellbarkeit
des intentionalen Gegenstandes abhängige Alternative
des literarisch Komischen: daß es immer nur entweder
auf der "inhaltlichen", signifikativen oder
aber auf der "formalen", signifikanten Ebene
des sprachlichen Mediums gefunden bzw. hergestellt
werden kann, - diese Differenz ist erst mit dem Witz
getilgt. Denn die für den Witz konstitutive Ersparung
des Hemmungsaufwandes beruht zwar ihrerseits auf einem
doppelten, aber in seinem Ergebnis nunmehr untrennbaren
Vorgang: auf einem vorbewußten Denkakt, der zu
einem relativ stabilen, aber in seiner signifikanten
Form noch schwankenden Gedanken, zu einer sogenannten
vorbewußten Besetzung führt, und auf einem
unbewußten Denkakt, der einer unbewußten
Besetzung, also einem verdrängten Gedanken dadurch
"Raum" gibt, daß er diesen Gedanken
- mittels Verschiebung und Verdichtung - in jener noch
schwankenden signifikanten Form "plaziert".
In Freuds Formulierung: >>Ein vorbewußter
Gedanke wird für einen Moment der unbewußten
Bearbeitung überlassen und deren Ergebnis alsbald
von der bewußten Wahrnehmung erfaßt.<<30
Und in Lacans Formulierung: Der Witz [mot d'esprit]
>>ist ein rascher Vorstoß auf den Ort des
Anderen, ein Ambozeptor, den das Feuerwerk eines Wortes
erhellt [qu'eclaire l'artifice du mot], das sich voller
Heiterkeit versprüht<<31
Das aber bedeutet: in einer einzigen symbolischen Form,
im >>Ergebnis<< der durch den Vorstoß
auf den Ort des Anderen motivierten unbewußten
>>Bearbeitung<<, findet sowohl diese als
auch eine vorbewußte Besetzung ihren Ausdruck;
und nur in dieser - einzigen und je einzigartigen -
Durchdringung von signifikantem und signifikativem
Aspekt des sprachlichen Prozesses entsteht das, was
man den "Witz" nennt: >>Zwischen Klang
und Sinn, Inhalt und Form, gibt es eine organische
Einheit, und es wäre vergebens, wenn man ausgehend
von diesen überkommenen Gegensätzen eine
Hierarchie begründen wollte. Was auch immer "vornehm"
an ihm sein mag: wenn der Witz (esprit) reiner Geist
(esprit) wäre, könnte er nicht witzig (spirituel)
sein, ebensowenig wie er auf seine materiell-klangliche
Seite reduzierbar wäre.<<32
Wäre er nur Geist, reines Signifikat, so wäre
das ebenso komisch, wie wenn er nur Materie, reiner
Signifikant wäre. Vielmehr, gerade weil er witzig
ist, verbindet sich in ihm die "materielle"
Sinnenlust auf dem Niveau der Signifikanz mit der "geistigen"
Sinnlust auf dem Niveau des Signifikats in einer einzigen
und einzigartigen Form. So zum Beispiel in der Schmidtschen
Mischwortbildung >>beLUSTijungn<< und im
Joyceschen Wortkonzentrat >>rayingbogeys<<,
in doppelsinnigen Anspielungen auf Namen: >>Po=Methodn<<
und >>Pointcarried<<, in typischen Portemanteau-Wörtern
wie >>energument<< und >>Paradiser<<,
in den Kalauern >>Kußine<< und >>glorifires<<
und schließlich auch in Zoten wie >>der
abWixlung halber<< und >>I plant my penstock
in your postern, chinarpot. Ave!<<33
Allen diesen, auf die Freudsche Darstellung verschiedener
Techniken des Witzes applizierbaren textuellen Sprachspielen34,
in denen das Feuerwerk zumeist eines einzelnen Wortes
jenen Ambo-Zeptor erhellt, der als der Kreuzpunkt zweier
Abhänge den eigentlichen Witz des Witzes metaphorisiert,
ist gemeinsam, daß >>der "Inhalt",
ebenso offensichtlich wie beim poetischen Text, untrennbar
von der "Form"<< ist35. Denn wollten
wir zum Beispiel das, was in diesen Einwortwitzen eigentlich
gesagt ist, noch einmal sagen, so könnten wir
diese Worte entweder in unreflektierter Weise wiederholen,
indem wir sie immer und immer wieder aufsagen (wodurch
sie schließlich nur noch komisch wirken); oder
aber wir müßten sie, um zu erklären,
wie das Witzige an ihnen gemacht ist, in reflektierter
Weise wiederholen, indem wir ihre Entstehung, gemäß
dem Freudschen Verfahren, bspw. graphisch veranschaulichen36.
Im einen Falle würden wir den Lacanschen Ambozeptor,
den diese Worte eigentlich erhellen sollen, verdunkeln,
im anderen Falle aber würden wir ihn gänzlich
zerschlagen: >>Der Geist des Witzes fällt
in sich zusammen, wenn durchs Erklären die Wahrheit
zur Platitüde wird.<<37
Diese Untrennbarkeit von "Inhalt" und "Form"
ist beim Witz, wie Sarah Kofman erklärt, ebenso
offensichtlich wie beim poetischen Text. Das heißt:
Wenn Klang und Sinn, Buchstabe und Geist, Signifikant
und Signifikat im textuellen Witz derart unauflöslich
miteinander verknüpft sind, daß er weder
bloß, wie der Humor, auf im weitesten Sinne ethische
Themen fixiert ist noch auch, wie beim literarisch
Komischen, auf der wahrnehmungsmäßigen Vorstellbarkeit
entweder einer fingierten Realität oder aber der
graphematischen Realität des Textes selbst beruht,
dann kann die Lust des Witzes weder bloß eine
Lust des ethischen noch auch des erkennenden, sondern
sie muß die Lust eines spezifisch ästhetischen
Subjekts sein. Denn dann - und nur dann - wird man
behaupten können, daß >>der Witz ...
ein Modell jeder Triebsublimation und jedes Kunstwerks
(ist)<<38 - Ein Modell, wohlgemerkt, nicht schon
ein Kunstwerk selbst.
II. Topische Konstellierung von Humor, Komik und Witz
Es stellt sich nun die Frage, ob es für unsere bisherigen Überlegungen noch weitere, nach Möglichkeit psychoanalytische Anhaltspunkte gibt. Inwiefern stützt eine psychoanalytisch orientierte Systematik erstens: die These von der Zuordnung des Humors zur ethischen, der Komik zur erkenntnistheoretischen und des Witzes zur ästhetischen Dimension, zweitens: die These von der spezifisch ästhetischen Form des literarischen Witzes; und schließlich: inwiefern kann sie weitergehende Aufschlüsse darüber geben, was unter einer solchen spezifischen Ästhetik zu verstehen ist. Eine, mit gewissen Einschränkungen ökonomisch zu nennende Systematik war dem bisherigen Versuch, Antworten auf diese Fragen zu finden, bereits zugrundegelegt worden: die Systematik in der Rede von einem ersparten Gefühls-, Vorstellungs- und Hemmungsaufwand. Nun aber wird es darauf ankommen, den topischen Gesichtspunkt deutlicher ins Blickfeld zu rücken.
Was den Humor betrifft, so stellt Freud im Witzbuch
von 1905, noch auf der Grundlage seiner ersten, bereits
in der >Traumdeutung< vorgelegten Topik fest:
>>Im ganzen steht der Humor dem Komischen näher
als der Witz. Er hat mit jenem auch die psychische
Lokalisation im Vorbewußten gemeinsam, während
der Witz, wie wir annehmen mußten, als Kompromiß
zwischen Unbewußtem und Vorbewußtem gebildet
wird.<<39 Diese These von der Lokalisation des
Humors im Vorbewußten wird aber später,
in seinem >Der Humor< betitelten Aufsatz von
1927, wenn nicht zurückgenommen, so doch revidiert.
Denn hier heißt es nun, nachdem Freud sein zweites
topisches Modell entworfen hat: >>Als die Entstehung
des Witzes mußte ich annehmen [Freud bezieht
sich hier direkt auf sein Witzbuch von 1905, d.A.],
daß ein vorbewußter Gedanke für einen
Moment der unbewußten Bearbeitung überlassen
wird, der Witz sei also der Beitrag zur Komik, den
das Unbewußte leiste. Ganz ähnlich wäre
der Humor der Beitrag zur Komik durch die Vermittlung
des Über-Ichs.<<40
Die noch im Witzbuch vertretene Auffassung von der Lokalisation
des Humors im Vorbewußten wird also hier substituiert
durch die These von der Lokalisation des Humors im
Über-Ich. Zwei Gründe scheinen dafür
ausschlaggebend gewesen zu sein: Zum einen sollten
dadurch Komik und Humor besser voneinander abgrenzbar
sein, und zum anderen sollte der spezifische Charakter
des Humors statt bloß ökonomisch auch topisch
nachgewiesen werden können. Denn wenn, wie bereits
das Witzbuch feststellte, der Humorist in einer mit
peinlichen Affekten belasteten Situation zu einer >>Erhebung
seines Ichs<<41 fähig ist, so konnte Freud
diese Erhebung und den ihr immanenten Selbstbezug wohl
kaum aus der Lokalisation des Humors im Vorbewußten
ableiten. Vielmehr, beide Momente ließen sich
erst durch die zweite Lokalisationsthese vollständig
begründen, und zwar aufgrund der Herkunft des
Über-Ichs aus >>mächtigsten Regungen
und wichtigsten Libidoschicksale(n) des Es<<,
derzufolge das, >>was im einzelnen Seelenleben
dem Tiefsten angehört hat, ... durch die Idealbildung
zum Höchsten der Menschenseele im Sinne unserer
Wertungen (wird)<<.42
Das Lachen des Humoristen kommt also weniger "von
unten herauf"43 (wie das Lachen des Witzes), als
vielmehr "von oben herab". Denn das Über-Ich
>>vertritt ja überhaupt den Anspruch der
Moralität<<44, ist also - trotz oder gerade
aufgrund seiner Herkunft aus dem Es - die ethische
Instanz unseres Seelenlebens überhaupt, diejenige,
durch welche das psychische Subjekt einen Charakter
hat oder überhaupt erst zu einem solchen wird.45
Durch ihn bezieht es sich (als Über-Ich) auf sich
selbst (als Ich), ist es, in seiner Erhebung über
sich selbst, zugleich auf sich selbst bezogen: >>Das
Ich kann sich selbst zum Objekt nehmen, sich behandeln
wie andere Objekte, sich beobachten, kritisieren, Gott
weiß was noch alles mit sich selbst anstellen.
Dabei stellt sich ein Teil des Ichs dem übrigen
gegenüber.<<46 Und das bedeutet für
den Humor: er >>vollendet sich bereits in einer
einzigen Person, die Teilnahme einer anderen fügt
nichts Neues zu ihm hinzu<<47.
Diese Beobachtungen stützen zunächst unsere
bisherigen Vermutungen: Der Humor ist, als ein ethisches
Phänomen, vor allem eine Frage des Charakters
und der Persönlichkeit. Aber auch weitergehende,
im ersten Teil nur wenig beachtete Momente treten jetzt
neu hinzu: Die Persönlichkeit, in welcher sich,
wie Freud es formuliert, der Humor "vollendet",
ist, da sie ganz spezifische Charakterzüge aufweist,
nicht nur eine, sondern auch eine einzigartige Persönlichkeit.
Insofern ist der humoristische Vorgang - unter strukturellen
Gesichtspunkten - vor allem ein monistischer Vorgang.
Aber andererseits, da Freud zufolge jeder persönliche
Äußerungsakt sich über einer dem psychischen
Subjekt immanenten differentiellen Verdoppelung des
Ichs (nämlich von Ich und Über-Ich) aufbaut,
liegt dem humoristischen Vorgang, insofern er selber
ein persönlicher Äußerungsakt ist,
zugleich ein Dualismus zugrunde, der ihn auch als solchen
durchherrscht. Ist nämlich die Persönlichkeit
das, was sie im Sinne jener Verdopplung ist: Selbst-Bewußtsein,
immer nur um den Preis einer Verobjektivierung ihrer
selbst, so ist auch die Bedingung des Humors gerade
die, >>daß die Person in einer bestimmten
Lage plötzlich ihr Über-Ich überbesetzt
und nun von diesem aus die Reaktionen des Ichs abändert<<48,
also es zum Objekt seiner humoristischen Lust macht.
Bemerkenswert ist nicht nur, daß Freud mit dieser
Konzeption eine bestimmte, psychoanalytische Reinterpretation
gewisser philosophischer Selbstbewußtseinstheorien
leistet (die das Selbstbewußtsein fast alle,
ob sie es nun als erkenntnistheoretische Bedingung
des Wissens oder aber als ethische Bedingung des Wollens
konzipierten, auf der Grundlage des Subjekt-Objekt-Dualismus
begreifen mußten); bemerkenswert für unser
Thema ist an dieser Konzeption vor allem, daß
Freud mit ihr den Humor, trotz seines monistisch scheinenden
Charakters, gerade als einen dualistischen, aber damit,
struktural gesprochen, auch als einen binaristischen
Vorgang deutet. Und in dieser seiner binaristischen
Struktur steht er offensichtlich in allergrößter
Nähe zu einer anderen Kategorie, in der sich das
ethische Moment aller ästhetischen Theorie vielleicht
noch am deutlichsten artikuliert: der Kategorie des
Erhabenen. - Der humoristischen Lust, bemerkt Freud
in aller Deutlichkeit, >>schreiben wir ... einen
hochwertigen Charakter zu, wir empfinden sie als besonders
befreiend und erhebend<<49.
Das bedeutet nun allerdings nicht, daß die Komik
demgegenüber bereits als ein nicht-binaristischer
Vorgang aufgefaßt werden kann. Denn wenn im Falle
des Humors das Ich (als Über-Ich) sich selbst
zum Objekt (als Ich) wird, so hat sich im Falle der
Komik die für den Binarismus kennzeichnende Subjekt-Objekt-Relation
bloß auf eine andere Ebene verschoben, nämlich
von der Ebene "Über-Ich und Ich" auf
die von "Ich und Außenwelt". Und da
dem Subjekt die Außenwelt, psychoanalytisch gesehen,
nur durch das von Freud so benannte Oberflächensystem
W-Bw zugänglich ist (das ein Teil des Ichs, genauer
dessen "Kern" ist50), wird man folgerichtig
davon ausgehen müssen, daß das, was beim
humoristischen Vorgang zum Objekt wurde, beim komischen
Vorgang das Subjekt ist; mit anderen Worten: daß
es das Ich ist, das die für den komischen Vorgang
entscheidende psychische Instanz ist.
Zwar betont Freud, daß auch die Komik in gewisser
Weise im Vorbewußten lokalisiert werden muß:
>>Der komische Prozeß verträgt nicht
die Überbesetzung durch die Aufmerksamkeit, er
muß durchaus unbeachtet vor sich gehen können
... Er gehört ... dem Vorbewußten an, und
man kann für solche Vorgänge, die sich im
Vorbewußten abspielen und der Aufmerksamkeitsbesetzung,
mit welcher Bewußtsein verbunden ist, entbehren,
passend den Namen "automatische" verwenden.<<51
Aber die für das Komische konstitutive Vergleichung
des Innervationsaufwandes, auf die sich Freud an dieser
Stelle bezieht (und die in der Tat automatisch verläuft52),
ist doch ihrerseits nicht möglich, wenn nicht
zumindest der mit dem früheren zu vergleichende
aktuelle Innervationsaufwand durch eine Aufmerksamkeitsbewegung,
also durch eine Bewußtseinsleistung zustandekommt.53
Beide, das direkte Vorstellen der (komischen) Bewegung54
vermöge des Systems W-Bw als auch >>das
Vorstellen derselben vermittels meiner Erinnerungsspuren
an die Aufwände bei ähnlichen Bewegungen<<55,
also vermöge des Systems Vbw, sind am komischen
Vorgang beteiligt; und keine dieser beiden Arten des
Vorstellens, des bewußten und des vorbewußten,
kann hier - trotz der von Freud so deutlich ausgesprochenen
Lokalisation des Komischen im Vorbewußten56 -
irgendeinen Vorrang vor der anderen beanspruchen. Im
Gegenteil. Da psychoanalytisch gesehen Erkenntnis immer
auch Wieder-Erkenntnis ist, unterscheidet sich der
komische von einem rein kognitiven Vorgang nur dadurch,
daß das Wieder-Erkannte zum aktuell Erkannten
in einem gewissen Spannungsverhältnis steht, das
der Erkennende, statt durch eine übliche Verhaltens-
oder Handlungsreaktion, durch sein Lachen ausgleicht.
Der komische Vorgang läßt sich demnach, unter
rein systematischen Gesichtspunkten, von einem kognitiven
Vorgang überhaupt nicht unterscheiden. Und da
die Instanz der Erkenntnis, nach dem zweiten topischen
Modell, das das System W-Bw und Vbw umfassende Ich
ist57, kann schließlich, entsprechend unserer
obigen Annahme, von einer Lokalisation der Komik im
Ich ausgegangen werden.
Diese (im Witzbuch nur implizite) Annahme eines im komischen
Prozeß erkennend der "Außenwelt"
zugewandten Ichs ist aber auch noch in anderer Hinsicht
bedeutsam. Vollendet sich nämlich Freud zufolge
der humoristische Vorgang vermöge eines der "Innenwelt"
zugewandten Über-Ichs bereits in einer einzigen
Person, so muß er im Falle des komischen Vorgangs
von der Beteiligung zumindest zweier Personen ausgehen:
>>der einen, die das Komische findet, und der
zweiten, an der es gefunden wird<<58. Entscheidend
ist hier, daß das Komische von der ersten Person
an der zweiten Person "gefunden" wird, daß
also die zweite Person für die erste bloß
ein Objekt ist. Weit entfernt davon, daß diese
zweite Person im komischen Vorgang als Person von Bedeutung
wäre, kommt sie in ihm vielmehr nur als Gegenstand
einer Vorstellung, einer akustischen oder visuellen
Wahrnehmung in Betracht, und zwar der Vorstellung oder
Wahrnehmung einer anderen Person. Und diese andere
Person ist wiederum ihrerseits vom komischen Vorgang
nicht (wie beim Humor das Ich) als Person, sondern
bloß als Erkenntnissubjekt betroffen.
Darin zeigt sich nun aber, anders als beim Humor, der
grundlegende Binarismus des Komischen gleich in potenzierter
Weise. Erste und zweite Person stehen sich nämlich
in der komischen Situation nicht einfach nur als Erkenntnisobjekt
und Erkenntnissubjekt gegenüber. Vielmehr kommt
hier die erste Person, die als handelndes Subjekt der
gesamten Konstellation zugrundeliegt (und in diesem
Sinne ihr "subiectum" ist), überhaupt
nur als ein sich selbst zu einem Anderen gewordenes,
verkehrtes Subjekt und eben damit als ein Objekt ins
Spiel. Ob sie komisch gemacht wird, ob sie sich selber
komisch macht, oder ob sie unfreiwilligerweise in eine
komische Situation hineingerät, - all das ist
für den komischen Effekt, der einzig und allein
auf dieser Verkehrung beruht, nur von untergeordneter
Bedeutung. Mit anderen Worten, im Komischen kommt es
ausschließlich darauf an, ob etwas, das wahrgenommen
(oder vorgestellt) werden kann, als in sich verkehrt
erscheint und eben deshalb auf sich selbst als Objekt
aufmerksam macht.
Die von Freud beschriebene paradigmatische Situation
des Komischen - die der Komik der Bewegung - ist insofern
strukturell vollkommen äquivalent zu derjenigen,
die wir auch im literarischen Bereich vorgefunden haben.
Denn hier ist es, wie wir bereits zeigen konnten, das
Subjekt des Textes, das als ein verkehrtes Subjekt,
als Objekt erscheint, und zwar, gemäß seiner
beiden binaristischen "Abhänge", entweder
auf der Seite seines Signifikats (Verkehrung des Subjekts
des Textes zum sogenannten "Inhalt" des Textes)
oder aber auf der Seite seiner Signifikanz (Verkehrung
des Subjekts des Textes zur sogenannten "Form"
des Textes). Als Subjekt des Textes kommt es daher
in dem, was entweder in Texten oder an Texten komisch
ist, überhaupt nicht zur Geltung; oder anders
formuliert: Ist die binaristische Bedingung dafür,
überhaupt etwas als komisch zu erkennen, dessen
Objektivierung, so ist die Verobjektivierung des Subjekts
des Textes ein Zeichen dafür, daß wir es
- für einen Moment zumindest - nicht "verstehen",
nicht wissen, was es ist.
Ganz anders steht es dagegen um den Witz. Er ist - wie
der Humor der Beitrag zur Komik durch Vermittlung des
Über-Ichs - >>der Beitrag zur Komik aus
dem Bereich des Unbewußten<<.59 Dabei kann
die parallele Satzkonstruktion zur entsprechenden Äußerung
über den Humor allerdings über zweierlei
nicht hinwegtäuschen: Zunächst einmal steht
der Humor dem Komischen im ganzen näher als dem
Witz60, und zwar, wie man jetzt deutlicher sieht, insofern,
als die den humoristischen Vorgang bestimmende Selbstobjektivierung
der Persönlichkeit in der für den komischen
Vorgang kennzeichnenden Fremdobjektivierung des Ichs
eine strukturelle, binaristische Äquivalenz findet;
während der Witz in Termini der Subjekt-Objekt-Relation
schon allein deshalb nicht ausreichend erklärt
werden kann, weil es hier das Subjekt des Textes als
Subjekt ist (und weder als verkehrtes Subjekt noch
auch überhaupt als Objekt), das sich in ihm artikuliert.
Und zum anderen kann die parallele Satzkonstruktion
auch darüber nicht hinwegtäuschen, daß
die durch diese Konstruktion nahegelegte Mittelstellung
der Komik ("Beitrag zur Komik durch Vermittlung
des Über-Ich" und "Beitrag zur Komik
aus dem Bereich des Unbewußten") in Wahrheit
eine vollkommen gleichgewichtige Systematik verdeckt,
die erst durch das zweite topische Modell vollends
sichtbar wird. Denn nach diesem Modell ist das Ich
durchaus nicht eigenständig, sondern es >>dient>>,
so Freud, >>drei gestrengen Herren ... Die[se]
drei Zwingherren sind die Außenwelt, das Über-Ich
und das Es.<<61 - Es stellt sich daher die Frage,
wie der Konflikt zwischen diesen drei "Herren"
und dem Ich im Falle von Komik, Humor und Witz entschieden
wird und welche Folgerungen für die weitere Analyse
daraus zu ziehen sind.
Es scheint uns - aufgrund der von Freud behaupteten
subordinären Stellung des Ichs - zunächst
klar zu sein, daß das, was im Falle von Komik,
Humor und Witz beeinträchtigt wird, gewisse Funktionen
des Ichs sind. Aber diejenige Ich-Funktion, die im
Falle sowohl des komischen als auch des humoristischen
Vorgangs für einen Moment nicht nur beeinträchtigt,
sondern vollkommen gestört wird, ist unseres Erachtens
die Funktion der Realitätsprüfung. Denn im
Falle der Komik gelingt es dem Ich offenbar nicht,
das, was es durch Vermittlung der Außenwelt wahrnimmt,
in ein bestimmtes Vorstellungsmuster zu integrieren,
weil - wie Freud für die Komik der Bewegung herausstellt
- >>zwischen der am anderen beobachteten Bewegung
und jener, die ich selbst an ihrer Statt ausgeführt
hätte<< eine allzu große Spannung
besteht62. Und im Falle des Humors wiederum gelingt
es dem Ich nicht, das, was es sich durch Vermittlung
des Über-Ichs vorstellt, in einen bestimmten emotionalen
und affektiven Kontext zu integrieren, weil >>das
Über-Ich, wenn es die humoristische Einstellung
herbeiführt, eigentlich die Realität abweist
und einer Illusion dient<<63.64
Aber dann stellt sich natürlich die Frage, welche
Funktion des Ichs es ist, die im Falle des Witzes beeinträchtigt
und vielleicht sogar ihrerseits vollkommen gestört
wird. Ist es auch hier die Realitätsprüfung
(ein bestimmter Anteil der Realitätsprüfung)
oder eine der vielen anderen Funktionen des Ichs? Folgt
man der Freudschen Darstellung, so kann es unseres
Erachtens auf diese Frage nur eine Antwort geben: Diejenige
Funktion, die im Falle der Witzproduktion beeinträchtigt
und, wie wir annehmen müssen, keinesfalls vollkommen
gestört wird, ist die Zensur. Und so wie erst
deren Beeinträchtigung den Traum als Kompromißbildung
möglich macht, so ist auch der Witz, für
den wir gleichfalls eine derartige Beeinträchtigung
annehmen müssen, ein solcher Kompromiß,
nämlich zwischen Es und Ich oder, in Termini des
ersten topischen Modells gesprochen, >>zwischen
Unbewußtem und Vorbewußtem<<65 -
Ein Kompromiß, und nicht, wie bei der Komik und
beim Humor, ein momentanes vollständiges Außerkraftsetzen
einer der beiden am Konflikt beteiligten Seiten.
Spricht man daher, in Fortführung der bislang aufgewiesenen
Systematik, von einer Lokalisation des Witzes im Es,
so besagt das nur, daß das Es hier diejenige
für den Witzvorgang entscheidende Instanz ist,
die die zensurierende Funktion des Ichs stört,
nicht aber, daß es diese - wie bei der Komik
und beim Humor die Realitätsprüfung - gänzlich
außer Kraft setzt. Denn ein vollständiges
Außer-Kraft-Setzen dieser Funktion würde
offensichtlich bedeuten, daß genau diejenige
Leistung des Witzes verlorenginge, die uns seine spezifisch
ästhetische Qualität zu erklären schien:
seine integrative, alle ästhetischen Binarismen
(Signifikant und Signifikat, Form und Gehalt, Buchstabe
und Geist, Klang und Sinn) aufhebende, symbolische
Leistung. - Diese symbolische Leistung, symbolisch
sowohl im strukturellen wie im rhetorischen Sinne,
ist es, die ihn auszeichnet und die ihn, zusammen mit
dem Traum, zum Paradigma einer Überschreitung
binaristischen Denkens macht.
III. Einwände und Folgerungen: Die Aufhebung einer Abstraktion
Verwirren: mhd. verwerren, ahd. farwerran; eine Präfixbildung zum gleichbed. (veralteten) "wirren"; beruht auf einer Erweiterung der idg. Wurzel von "Wurm" (*uer- "drehen, biegen, winden, flechten") und bedeutete urspr. "(ver)wikkeln"; vgl.a. das bis ins 16.Jh. vorkommende Substantiv mhd. werra "Krieg, Verwirrung", das dem seit der ersten Hälfte des 19.Jhs. auftretenden Subst. "Wirren" Mehrz. "politische Verwicklungen" und dem FW "Guerilla" zugrunde liegt. - Vgl.a. Wurst (mhd., ahd. wurst): "etwas Gemischtes, Vermengtes, Gemachtes, Gedrehtes". Die Herkunft der Wendung 'das ist mir Wurst' ist unklar.
Herkunftswörterbuch, Duden Band 7
Es scheint, daß unsere Analyse zu einem recht
akzeptablen Ergebnis gekommen ist: Wir haben nicht
nur unsere Ausgangsthese vom ethischen Charakters des
Humors, vom erkenntnistheoretischen Charakter der Komik
und vom ästhetischen Charakter des Witzes anhand
ihrer Einordnung in das zweite topische Modell des
psychischen Apparates stützen können; wir
haben auch nachgewiesen, daß sich eine adäquate
Überschreitung binaristischen Denkens nur als
diejenige, spezifisch ästhetische Überschreitung
denken läßt, für die uns die symbolische
Form des Witzes als paradigmatische Form gedient hat.
Denn während im komischen und im humoristischen
Vorgang der zugrundeliegende Dualismus von Ich und
Außenwelt bzw. Ich und Über-Ich nur dadurch
gelöst werden konnte, daß das Ich unter
die Herrschaft seines je Anderen geriet - im Falle
der Komik unter die Herrschaft der Außenwelt
und im Falle des Humors unter die des Über-Ichs
-, konnte im Witzvorgang ein wirklicher Kompromiß
zwischen Ich und Es, ein Ausgleich geschaffen werden,
dessen Produkt sich in einer einzigen - und auch je
einzigartigen - symbolischen Form, der jeweiligen Witzformulierung,
niederschlug.
Der Preis für dieses recht klare Ergebnis ist allerdings
auch ein gewisser Schematismus, auf den wir gleich
am Anfang unserer Analyse - mit Bezug auf Lacan - hinweisen
mußten und der sich nun zu einer ernsten Gefährdung
dieses Ergebnisses auswächst. Denn wir haben zwar
die symbolische Form des Witzes als eine rein vom binaristischen
Denken nicht mehr begreifbare Form nachweisen können,
aber wir haben diesen Nachweis auch nur führen
können, indem wir den aufgehobenen Dualismus dieser
Form zugleich in einen - binaristischen - Gegensatz
gebracht haben zu den explizit dualistischen Formen
der Komik und des Humors. Wir mußten, mit anderen
Worten, um willen eines "Jenseits" des binaristischen
Prinzips diesem ein "Diesseits" entgegensetzen
und haben eben auf diese Weise einen neue binäre
Opposition erzeugt; sodaß wir uns jetzt mit dem
Vorwurf auseinanderzusetzen haben, vom eigentlichen,
nicht-binaristischen Phänomen seinerseits nur
einen recht schematischen, also einen im Grunde imaginären
Eindruck gewonnen zu haben.
Das mag man nun entweder komisch finden oder mit Humor
ertragen. Sicherlich aber wird man sich fragen müssen,
ob es in begriffsstrukturellen Analysen wie der vorliegenden
zu einer solchen reflexiven Wiederholung des Binarismus
(nämlich des Binarismus von Monismus und Binarismus)
überhaupt eine Alternative gibt; ob man nicht
also, wie Lacan es fordert, statt das Symbolische theoretisch
zu erfassen, es begreifen zu wollen, zu einer Verwirklichung
des Symbolischen fortschreitet und das praktiziert,
worüber man redet. Aber andererseits scheint uns
doch auch eine theoretische Explikation des Symbolischen
solange gerechtfertigt zu sein, als sie ihre eigene
Klarheit nicht mit einer Vernebelung ihrer Sachverhalte
erkauft, auch - oder gerade dann - wenn das, was sie
vor sich hat, in gewisser Weise selber von nebulösem
Charakter ist.
Eben das aber scheint hier der Fall zu sein: Wir haben
den - in der Tat - nebulösen Charakter des Witzes,
sein oft verworrenes und nicht selten auch verwirrendes
Zusammenspiel mit den Elementen des Komischen und des
Humoristischen bislang so gut wie gar nicht zur Kenntnis
genommen und deshalb auch nicht denjenigen, in alltagssprachlichen
Kontexten erzählten Witz zur Grundlage unserer
Analyse gemacht, von dem im Freudschen Text und auch
in allen sonstigen uns vorliegenden Analysen und Witzsammlungen
immer wieder die Rede ist: von denjenigen >>kurze(n),
einepisodige(n), meist dialogisch aufgebaute(n) Erzählungen,
die sich auf eine einzelne Szene und auf einen oder
zwei Hauptakteure beschränken<<66. Stattdessen
haben wir unsere Analyse (vor allem im ersten Teil)
auf die sogenannten "Einwortwitze" reduziert,
haben aus dem Joyceschen und Schmidtschen Text typische
Portemanteau-Wörter wie >>energument<<
und >>Paradiser<< zitiert, die Lacansche
Transposition von unbewußt in une-bevue als eine
witzige Zeichenerfindung tituliert und uns damit, nicht
allein unserer, sondern auch Freuds Ansicht nach67,
auf das "eigentlich Witzige", den sogenannten
"Witz des Witzes" beschränkt.
Was wir damit faktisch geleistet haben war aber, wie
man jetzt sieht, eine bloße Abstraktion. Denn
so gut wie nie kommen tatsächlich erzählte
Witze ohne eine komische Fassade (eine komische Geschichte)
oder einen humoristischen Hintergrund aus: >>Eine
komische Fassade, heißt es bei Freud, >>fördert
die Wirkung des Witzes auf mehr als eine Weise, sie
ermöglicht nicht nur den Automatismus des Witzvorganges
durch die Fesselung der Aufmerksamkeit, sondern erleichtert
auch die Abfuhr vom Witz her, indem sie eine Abfuhr
vom Komischen her vorausschickt.<<68 - Freud
denkt hierbei insbesondere an die sogenannten "Heiratsvermittlerwitze",
in denen eine komische Geschichte zunächst die
Aufmerksamkeit des Zuhörers fesselt, um diesen
dann plötzlich, in der eigentlichen Pointe des
Witzes, zu überrumpeln. So z.B. in dem folgenden
Witz: >>Der Bräutigam ist bei der Vorstellung
der Braut sehr unangenehm überrascht und zieht
den Vermittler beiseite, um ihm flüsternd seine
Ausstellungen mitzuteilen. "Wozu haben Sie mich
hierhergebracht?" fragt er ihn vorwurfsvoll. "Sie
ist häßlich und alt, schielt und hat schlechte
Zähne und triefende Augen..." - "Sie
können laut sprechen", wirft der Vermittler
ein, "taub ist sie auch."<<69
Beide, die komische Geschichte und die witzige Pointe,
lassen sich, solange man die tatsächliche Wirkung
des Witzes außer acht läßt, durchaus
voneinander trennen. Das zeigt schon die von Salcia
Landmann mitgeteilte Variante dieses Witzes, die folgendermaßen
lautet: >>Hersch stellt seine Frau dem David
vor. David nimmt ihn beiseite und flüstert: "Was
ist dir eingefallen, so etwas Mieses zu heiraten? Ein
knochiges Gestell und ein sauertöpfiges langes
Gesicht und fast keine Haare, und halb blind scheint
sie auch zu sein!" - Hersch: "Du kannst ruhig
laut reden: taub ist sie auch."<<70 Aber
trotz dieser Variabilität im Wortlaut, die - unserer
Bestimmung zufolge - für den eigentlichen Witz,
den Witz des Witzes, ausgeschlossen sein müßte,
sind gewisse Elemente dieser Geschichte dennoch unverzichtbar:
der Dialog, das Flüstern, die außergewöhnliche
Häßlichkeit der Frau und - natürlich
- die Pointe selbst.
Keines dieser Elemente läßt sich vom anderen
isolieren, ohne daß der witzige Charakter dieser
Geschichte aufgehoben wäre - auch nicht die Pointe
selbst, in der doch (darin den Einwortwitzen vergleichbar)
der eigentliche Witz sich artikulieren müßte.
Signifikant und Signifikat, "Form" und "Inhalt"
sind auch hier (trotz gewisser Variationsmöglichkeiten,
die die komische Geschichte als solche betreffen) derart
unauflöslich miteinander verknüpft, daß
eine erklärende oder interpretierende Übersetzung
dieses Witzes unweigerlich zu seiner Zerstörung
führen müßte. Aber anders als bei den
Einwortwitzen, die eine solche unübersetzbare
Einheit von Signifikant und Signifikat gleichsam hermetisch,
rein auf der phonologischen und morphologischen Ebene
herzustellen vermögen, vermittelt sie der "komische
Witz" über einen syntaktisch-semantischen
Kontext, in dem auch noch die von uns so betonte binäre
Opposition von Komik und Witz sich aufzulösen
beginnt. Zumindest löst sie sich offenbar so weit
auf, daß es unsinnig wäre, noch am Binarismus
von Komik und Witz in der Weise festhalten zu wollen,
wie wir es in unserer gesamten bisherigen Analyse getan
haben.
Ähnliches läßt sich aber auch für
den humoristischen Hintergrund des Witzes behaupten.
Schon im zitierten Heiratsvermittlerwitz geht es offenbar
darum, dem - angesichts der Erbärmlichkeit und
Unwürdigkeit solcher Eheschließungen sich
einstellenden - peinlichen Affekt seine Energie zu
entziehen und diese durch Abfuhr in Lust zu verwandeln.
Aber noch viel deutlicher wird dieses Zusammenspiel
von humoristischer und witziger Lust in der folgenden
Frau Pollak-Anekdote: >>Man sucht überall
nach Herrn Pollak von Parnegg, ruft im Büro, im
Klub, bei Freunden an - er ist nirgends zu finden.
Frau Pollak geht ins Schlafzimmer - da liegt er tot
unter dem Bett. Sie läutet dem Stubenmädchen
und sagt streng: "Sehen Sie, so räumen sie
auf!"<<71
Auch hier ist es zunächst eine komische Geschichte,
die der Pointe des Witzes vorausgeht. Aber statt der
Lust des Witzes eine Vorlust vorauszuschicken, kulminiert
hier das Komische im Grotesken (>>...da liegt
er tot unter dem Bett<<) und scheint - ganz im
Gegenteil - einer Unlustentbindung den Weg zu bereiten,
die der Affektentwicklung des Witzes entgegenzuwirken
scheint. Umso deutlicher kann sich aber dann die witzige
Wirkung entfalten, - wenn nämlich nicht die Trauer
über den Tod des Mannes, sondern, nach dem Muster
einer Verschiebung, der Ärger über das Stubenmädchen
das einzige ist, was Frau Pollak zu beschäftigen
scheint: Die humoristische Lust, schreibt Freud, >>entspringt
... einer besonderen, der Verschiebung vergleichbaren
Technik, durch welche die bereitgehaltene Affektentbindung
enttäuscht und die Besetzung auf anderes, nicht
selten Nebensächliches gelenkt wird<<72
Nimmt man an, daß es angesichts des Todes des
eigenen Mannes in der Tat nebensächlich ist, ob
das Stubenmädchen seiner Arbeit gewissenhaft nachgeht
oder nicht, so scheint man es hier mit einer im vollen
Sinne humoristischen Geschichte zu tun zu haben. Aber
andererseits kann man sich einer solchen Einschätzung
auch durchaus nicht sicher oder gewiß sein. Denn
wenn das Lachen über diesen "humoristischen
Witz" sich der Unterstellung eines unbewußten
Wunsches verdankt, nämlich des in vielen sogenannten
"makabren Witzen" zutagetretenden Wunsches,
sich seines eigenen Ehepartners zu entledigen73, dann
gilt auch für diese Anekdote das, was Freud schon
für die von ihm angeführten Heiratsvermittlergeschichten
als das eigentlich Witzige hat herausstellen können:
>>Jeder, der sich die Wahrheit so in einem unbewachten
Moment entschlüpfen läßt, ist eigentlich
froh darüber, daß er der Verstellung ledig
wird<<74. - Die Verstellung bestünde dann
in diesem Falle darin, den eigenen Mann geliebt zu
haben, und die Wahrheit darin, ihm den Tod gewünscht
zu haben. Eine witzige Wahrheit, aber eine solche,
die sich über eine humoristische Verschiebung
Geltung verschaffen konnte.
Welche der beiden Komponenten, die humoristische oder
die witzige, in diesem Falle den Ausschlag für
die Lustentbindung gibt, läßt sich also
rein theoretisch gar nicht entscheiden. Witz und Humor
sind hier derart miteinander verschmolzen75, daß
es schwierig werden dürfte, das eine vom anderen
zu trennen, also - auf begrifflicher Ebene - den von
uns zugrundegelegten Unterschied mit der Bestimmtheit
aufrechtzuerhalten, mit der wie ihn bislang verteidigt
haben: Weder scheint sich hier das Über-Ich über
das Ich zu erheben noch auch ein wirklicher Kompromiß
zwischen Es und Ich erreicht zu werden. Vielmehr scheint
das Über-Ich im Dienste des Es oder umgekehrt
das Es im Dienste des Über-Ich zu handeln und
deren beider Artikulationsort das Ich zu sein.
Die Verwirrung, die sich hier einstellt - und zwar sowohl
angesichts des "komischen" als auch des "humoristischen
Witzes", ist offenbar eine Verwirrung der Begriffe.
Humor, Komik und Witz sind im tatsächlichen, erzählten
Witz weitaus enger aufeinander bezogen, als es unsere
begriffliche Analyse zu erfassen vermochte. So weit,
daß wir diese drei Formen in Analogie setzen
möchten zu jenen anderen Dreierformationen, die
den Lesern Lacans aus der topologischen Konzeption
des Borromäischen Knotens vertraut sein dürften:
Reales, Imaginäres und Symbolisches; Unmöglichkeit,
Möglichkeit und Notwendigkeit; Bedürfnis,
Anspruch und Begehren; Haß, Liebe und Unwissenheit;
Angst, Hemmung und Symptom; Über-Ich, Ich und
Es... Sind alle Elemente dieser Formationen derart
miteinander verflochten und verschlungen ("verworren"),
daß einen der Fäden aus den Dreierverbänden
herauszulösen bedeuten würde, den gesamten
Knoten aufzulösen, so muß man offensichtlich
auch für die von uns der Analyse unterzogenen
psychoanalytischen Formen: Humor, Komik und Witz, und
die ihnen korrespondierenden philosophischen Felder:
Ethik, Erkenntnistheorie und Ästhetik, eine solche
irreduzible Verknotung, eine derartige Verwirrung für
das begriffliche Denken annehmen.
Wir können und wollen hier nicht mehr die Folgen
einer solchen Verwirrung aufzeigen. Was man im gegenwärtigen
Kontext dazu sagen kann, haben wir bereits im ersten,
einleitenden Teil unserer Analyse dargelegt. Worauf
wir aber zum Schluß noch hinweisen möchten,
ist der merkwürdige Umstand, daß sich damit
- scheinbar paradox - unsere Ausgangsvermutung offensichtlich
doch noch bestätigt hat. Denn der Witz, so wie
wir ihn jetzt perspektiviert - und damit keineswegs
schon begriffen - haben, ist nicht mehr nur eine Sonderform
"jenseits" eines sich "diesseits"
verortenden binaristischen Prinzips; sie ist eine Integrationsform
auch noch der beiden abgesonderten übrigen Formen.
Sie konstituiert ein Jenseits, zu dem es - so verwirrend
das ist - kein Diesseits gibt. Und es ist vielleicht
der Witz aller von uns betrachteten Witze, uns darüber
belehrt, uns zumindest darüber nicht im unklaren
gelassen zu haben.
Anmerkungen
Roland Barthes, Elemente der Semiologie, Frankfurt/M.
1979, S.12.
2Dieser Überschreitung des Binarismus gilt der
nach wie vor lesenswerte Aufsatz von Gilles Deleuze
Woran erkennt man den Strukturalismus, in: F.Châtelet
(Hrsg.), Geschichte der Philosophie, Bd. VIII, Frankfurt/M.-Berlin-Wien
1975, S.269ff.
3Wie diese spieltheoretischen Ansätze zur Spielpraxis,
zum tatsächlichen Spiel mit den Karten des Realen,
des Imaginären, des Symbolischen (und des Kristevaschen
Semiotischen, s.u.) werden können, haben Robert
Krokowski, Christian Kupke und Jean Marceau in ihrem
Beitrag RISSkarten gezeigt, in: Delta Tau Zwei, Berlin
1987, S.119 (Supplement).
4Vgl. Julia Kristeva, Die Revolution der poetischen
Sprache, Frankfurt/M. 1978, S.32ff; vgl. auch ihre
Aufsätze in dem Sammelband Polylogue, Paris 1977.
5Jacques Lacan, Vers un Signifiant Nouveaux, in: Ornicar?,
Nr.17/18, Paris 1979, S.7ff, hier S.20.
6Ebd., S.20.
7Vgl. Kristeva, Die Revolution der poetischen Sprache,
S.69f.
8Vgl. Lacan, Vers un Signifiant Nouveaux, S.21: >>Il
y a une chose ou je me suis risqué a opérer
dans le sens de la métalangue. La métalangue
en question consiste a traduire Unbewußt par
une-bévue.<<
9Zum Semiotischen und zur chora vgl. Kristeva, Die Revolution
der poetischen Sprache, S.35ff.
10Lacan, Vers un Signifiant Nouveaux, S.21.
11Vgl. bspw. Julia Kristeva, Semiologie - kritische
Wissenschaft und/oder Wissenschaftskritik, in: Peter
V. Zima (Hrsg.), Textsemiotik als Ideologiekritik,
Frankfurt/M. 1977, S.35ff.
12Jacques Lacan, Das Ich in der Theorie Freuds und in
der Technik der Psychoanalyse (Seminar Buch II), Olten
1980, S.309.
13Sigmund Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten,
Studienausgabe Bd. IV, Frankfurt/M. 1970, S.9ff, hier
S.219.
14Arno Schmidt, Berechnungen III, in: Neue Rundschau
Nr.1, 1980, S.6ff, hier S.18.
15Freud, Der Witz, S.212 (Hervorh., d.A.).
16"Humor ist, wenn man trotzdem lacht." -
Diese >>urgesunde, hundsgewöhnliche Maxime<<
(vgl. Hanns Hermann Kersten, Radikal oder ridikül?,
in: Die Zeit, Nr.14 v. 26.3.1976) trifft genau das,
was am Humor das Wesentliche ist. Aber eben deshalb
ist sie auch nicht umstandslos auf den Witz anzuwenden.
17Arno Schmidt, Zettel's Traum, Karlsruhe 1970, 955a.
18James Joyce, Finnegans Wake, London 1975, S.304.
19Vgl. Jacques Lacan, Encore (Seminar Buch XX, Berlin
1986, S.50, 69 u. 85.
20Jean-Louis Baudry, Freud und das "dichterische
Schaffen", in: G.Sautermeister (Hrsg.), Die Demaskierung
der bürgerlichen Kulturideologie, München
1971, S.59ff, hier S.67. - Vgl. zu diesem Text kritisch:
Sarah Kofman, Die Kindheit der Kunst, München
1993, S.41f, Anm.50.
21Sigmund Freud, Der Humor, Studienausgabe Bd. IV, Frankfurt/M.
1970, S.275ff, hier S.282.
220Vgl. Karlheinz Stierle, Komik der Handlung, Komik
der Sprachhandlung, Komik der Komödie, in: W.Preisendanz/R.Warning
(Hrsg.), Das Komische, Poetik und Hermeneutik Bd. VII,
München 1976, S.237ff, hier S. 239 u. 247.
23Vgl. Freud, Der Witz, S.169 passim.
24Ebd., S. 176 (Hervorh., d.A.).
25Vgl. Schmidt, Zettel's Traum, 955af.
26Joyce, Finnegans Wake, S.305.
27Schmidt, Zettel's Traum, 678.
28Stierle ist einer der wenigen Literaturwissenschaftler,
der die systematische Relevanz dieses Aspektes erkannt
hat. Er hebt hervor, daß >>die graphematische
Ebene über eigene Möglichkeiten des Komischen
im Bereich ihrer Ausdrucksform (verfügt)<<.
Dabei verweist er sowohl auf das für Joyce relevant
gewordene Problem der "Druckfehler" als auch
auf die für beide Autoren, Joyce und Schmidt,
zentrale Frage einer "falschen Orthographie"
(Komik der Handlung, S.255f).
29Freud, Der Witz, S.177.
30Ebd., S. 155; vgl. S. 157 u. 166f.
31Jacques Lacan, Funktion und Feld des Sprechens und
der Sprache in der Psychoanalyse, in: ders., Schriften
I, Olten 1973, S.71ff, hier S.111.
32Sarah Kofman, "Die lachenden Dritten". Freud
und der Witz, München-Wien 1990, S.50.
33Vgl. Schmidt, Zettel's Traum, 955f und Joyce, Finnegans
Wake, 304f.
34Vgl. Freud, Der Witz, S.20ff.
35Kofman, "Die lachenden Dritten", S.49.
36Freud tut dies im Falle der Heineschen Wortverdichtung
"famillionär" (vgl. Der Witz, S.22f).
37Lacan, Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache,
S.111.
38Jean Florence, Die Identifizierungen, in: Riss, Nr.10,
1989, S.66ff, hier S.80.
39Freud, Der Witz, S. 217.
40Freud, Der Humor, S.281.
41Freud, Der Witz, S.217.
42Sigmund Freud, Das Ich und das Es, Studienausgabe
Bd. III, Frankfurt/M. 1975, S.273ff, hier S.303 (Hervorh.,
d.A.).
43Vgl. Klaus Heinrich, "Theorie" des Lachens,
in: D.Kamper/Chr.Wulf (Hrsg.), Lachen-Gelächter-Lächeln,
Frankfurt/M. 1986, S.17ff, hier S.23, und die Erläuterung
ebd. S. 37: >>Lachen kommt von unten herauf;
wenn nicht, wirkt es 'aufgesetzt' und 'flach' - gleich
haben wir die Affinität zu einer Lieblingszone
des Lachens, dem Unterleib samt seinen verschiedenen
Aktivitäten.<<
44Sigmund Freud, Vorlesungen zur Einführung in
die Psychoanalyse und Neue Folge, Studienausgabe Bd.
I, Frankfurt/M. 1969, S.499; vgl. auch Freud, Das Ich
und das Es, S.303.
45Vgl. Freud, Das Ich und das Es, S.296ff.
46Freud, Vorlesungen zur Einführung, S.497.
47Freud, Der Witz, S.212.
48Freud, Der Humor, S.281.
49Ebd., S.281 (Hervorh., d.A.).
50Freud, Das Ich und das Es, S.296 Anm.2.
51Freud, Der Witz, S.204f.
52Vgl. ebd., S.178f.
53Dies gezeigt zu haben ist das Verdienst von Stierle.
In direkter Anknüpfung an Freud stellt er überzeugend
und detailliert die für das Komische konstitutive
Bewußtseinsleistung als Aufmerksamkeitsbewegung
dar (vgl. Komik der Handlung, S.246ff).
54Wir nehmen hier, wie Freud, die Bewegungskomik zum
Paradigma des Komischen (vgl. Der Witz, S.177ff.),
und zwar in genereller Übereinstimmung auch mit
Stierle, der darauf hinweist, daß >>die
Komik der Sprache in der Komik der Handlung fundiert
ist<< (Komik der Handlung, S.254).
55Freud, Der Witz, S.179.
56Vgl. ebd., S.193.
57Hierbei können wir vernachlässigen, daß
Freud an der Stelle, auf die wir uns mit dieser Überlegung
beziehen, hinzusetzt: >>Das Ich ist aber auch,
wie wir erfahren haben, unbewußt.<< (Das
Ich und das Es, S.292). Denn insofern das Ich auch
unbewußt ist, ist es zumindest nicht mehr das
Ich der "Erkenntnis", sondern erfüllt
ganz andere Funktionen (z.B. die der Verdrängung
und des Widerstandes).
58Freud, Der Witz, S.169.
59Ebd., S.193.
60Vgl. ebd., S.217.
61Freud, Vorlesungen zur Einführung, S.514.
62Vgl. Freud, Der Witz, S.178.
63Freud, Der Humor, S.281.
64Im Fall der Komik ist also derjenige Anteil der Realitätsprüfung
betroffen, in dem es darum geht, Wahrnehmungen als
Wiederholungen von Vorstellungen identifizieren zu
können - was wir als das Bestreben des Ichs bezeichnen
möchten, "Vorstellungsidentitäten"
herstellen zu können (vgl. hierzu Freuds These,
daß >>alle Vorstellungen von Wahrnehmungen
stammen, Wiederholungen derselben sind<<; Die
Verneinung, Studienausgabe Bd. III, Frankfurt/M. 1975,
S.371ff, hier S.375). Und im Falle des Humors ist es
derjenige Anteil, in dem es darum geht, Vorstellungen
als Wiederholungen von Affekten identifizieren zu können
- was wir als das Bestreben des Ichs bezeichnen möchten,
"Affektidentitäten" herzustellen.
65Freud, Der Witz, S.217.
66Lutz Röhrich, Der Witz. Figuren-Formen-Funktionen,
Stuttgart 1977, S.6.
67In einer Anmerkung zu seinem Witzbuch unterscheidet
Freud Kriterien für einen guten und einen schlechten
Witz. Als einen guten Witz bezeichnet er dort das Wortspiel
"Traduttore-Traditore" (vgl. Der Witz, S.114
Anm.1; vgl.a. S.35 und den dort in einem Zusatz angeführten
Modifikationswitz "Amantes amentes"). An
einer anderen Stelle wiederum erklärt er, daß
das eigentliche Wortspiel den höchsten Anspruch
an die Technik des Ausdrucks stelle, weil dabei >>die
beiden Bedeutungen in dem identischen und darum meist
nur einmal gesetzten Wort ihren Ausdruck finden sollen<<
(ebd., S.45f).
68Freud, Der Witz, S.143.
69Ebd., S.63.
70Salcia Landmann, Der jüdische Witz, Olten 1960,
S.343.
71Ebd., S.439; vgl.a. S.16.
72Freud, Der Witz, S.216.
73Vgl. etwa einige von Lutz Röhrich zitierten Witze
in: ders., Der Witz, S.141ff.
74Freud, Der Witz, S.100f.
75Vgl. ebd., S.216: >>Der Humor kann ... mit dem
Witz ... verschmolzen auftreten, wobei ihm die Aufgabe
zufällt, eine in der Situation enthaltene Möglichkeit
von Affektentwicklung, die ein Hindernis für die
Lustwirkung wäre, zu beseitigen.<<